Spitzbergens faszinierende Vergangenheit
Für einen so abgelegenen Ort hat Spitzbergen eine erstaunlich turbulente Vergangenheit. Dieses zerklüftete Archipel tief im Nordpolarmeer hat eine reichhaltige Geschichte, die von Entdeckungen, Experimenten und internationalen Einflüssen geprägt ist.
Die Vergangenheit Spitzbergens ist so dynamisch und bemerkenswert wie das Nordlicht, das den Winterhimmel färbt. Von seinen Tagen als Stützpunkt für kühne Entdecker bis hin zu seiner Rolle als Zentrum des wissenschaftlichen Fortschritts hat das Archipel die Menschen seit Jahrhunderten verzaubert.
Heute mag die Bevölkerung klein sein, aber die Geschichten, die sich an seinen eisigen Ufern entfaltet haben, sind zahlreich und verweben die Fäden verschiedenster Länder, Kulturen und Sprachen.
Frühe Erkundung
Aufzeichnungen legen nahe, dass es die Wikinger waren, die als erste von dem Land wussten, das einmal Spitzbergen heißen sollte. Aber erst im Zeitalter der europäischen Entdeckungsreisen wurden die Inseln gründlich bereist.
Der holländische Entdecker Willem Barentsz entdeckte Spitzbergen auf der Suche nach der Nordost-Passage im Jahr 1596, obgleich Wikinger oder Pomoren (russische Siedler) möglicherweise schon früher hierher greist waren. Barentsz starb auf See, nachdem sein Schiff im Eis stecken geblieben war, aber die Geschichten, die die überlebenden Besatzungsmitglieder erzählten, trugen dazu bei, Spitzbergen als ein Land voller Gefahren und Verheißungen zu etablieren.
Walfänger, Jäger und Trapper fanden Spitzbergen unwiderstehlich und folgten den Geschichten über Begegnungen mit Eisbären und Walrossen in der kargen Landschaft. Es dauerte jedoch bis ins 17. Jahrhundert, ehe sich eine dauerhafte Population auf Spitzbergen zu bilden begann.
Baskische, holländische, englische und französische Walfänger richteten vorübergehend Stationen ein und verwandelten das Archipel in einen wirtschaftlichen Dreh- und Angepunkt. Es war eine Zeit der brutalen Ausbeutung der Meeresressourcen, die dazu führte, dass einige Walarten in den Gewässern um Spitzbergen fast ausgerottet wurden.
Erkundung durch die Norweger
Die Geschichte Spitzbergens ist eng mit dem unerschrockenen Geist der norwegischen Entdecker verwoben. Dank der langjährigen Seefahrertradition gehörten die Norweger zu den ersten, die die gefährlichen arktischen Gewässer durchquerten, um Spitzbergen zu erreichen.
Einer der bekanntesten norwegischen Entdecker, die mit Spitzbergen in Verbindung gebracht werden, ist Roald Amundsen, der als erster Mensch die Nordwest-Passage durchquerte und als erster den Südpol erreichte. Er nutzte Spitzbergen als Basis für seine Expeditionen, darunter den erfolgreiche Luftschiffflug über den Nordpol im Jahr 1926, welcher entscheidend dazu beitrug, Norwegens Anspruch und Präsenz in der Region zu festigen.
Vorreiter für Seereisen in der Arktis
Norwegen war auch ein Pionier des Tourismus in Form von arktischen Seereisen nach Spitzbergen. Bereits 1896, drei Jahre nachdem er die Vesteraalens Dampskibselskap (die spätere Hurtigruten) gegründet hatte, startete unser Gründer Richard With die Sportsman's Route, die von Hammerfest nach Spitzbergen führte. Diese frühen Expeditionsreisen waren die Vorläufer der modernen Kreuzfahrtindustrie und verbanden die Lust am Abenteuer mit den Annehmlichkeiten des Reisens.
Einen Einblick in den Ablauf dieser frühen Expeditionen erhalten Sie auf der Hurtiguten Spitzbergen-Linie, unserer nostalgischen Sommerreise entlang der norwegischen Küste und über die Barentssee nach Spitzbergen – buchstäblich bis ans Ende der Welt.
Spitzbergens Bergbau-Tradition
Der Kohlebergbau ist seit dem frühen 20. Jahrhundert ein Eckpfeiler der Wirtschaftsgeschichte Spitzbergens. Unternehmen aus Norwegen und Russland gründeten Siedlungen, um die Minen zu unterstützen, was zu einem Bevölkerungsanstieg und dem Ausbau der Infrastruktur führte. Longyearbyen, die größte Stadt des Archipels, ist nach dem amerikanischen Unternehmer John Munro Longyear benannt, dessen Unternehmen 1906 mit dem Kohleabbau begann.
Das russische und später sowjetische Interesse an Spitzbergen wurde in erster Linie durch das Potenzial zur Rohstoffgewinnung angetrieben. Die Kohlebergbausiedlung Barentsburg wurde ursprünglich in den 1920er Jahren von einer niederländischen Bergbaugesellschaft gegründet und entwickelte sich dann in den 1930er Jahren zum Zentrum der sowjetischen Ambitionen in der Arktis. Auch heute noch ist die Stadt mit ihren kyrillischen Schriftzeichen und der Architektur aus der Sowjetzeit ein Symbol für die andauernde Präsenz Russlands im hohen Norden.
Der Kohlebergbau in Spitzbergen lieferte nicht alleine Brennstoff für Europa und Russland und prägte die Landschaft mit seinen Minen, Eisenbahnen und Betriebsstädten. Mehr als jeder andere Industriezweig definierte er außerdem die Befindlichkeiten von Spitzbergens Bevölkerung. Die Bergleute und ihre Familien bildeten eng verbundene Gemeinden, die der Isolation und Härte der Arktis trotzten. Städte wie Longyearbyen und Pyramiden wurden buchstäblich aus dem Schnee errichtet und boten bald schon Annehmlichkeiten wie Schulen, Krankenhäuser, Bibliotheken und Theater. Spitzbergen ist ein lebendes, atmendes Beispiel für die bemerkenswerten menschlichen Bemühungen, dieser unwirtlichsten aller Umgebungen einen lebenswerten Raum abzugewinnen.
Eine internationale Vereinbarung
Der Vertrag von Spitzbergen von 1920 war ein entscheidender Moment in der Geschichte des Archipels. Er erkannte die norwegische Souveränität an und garantierte den Unterzeichnern des Vertrages das Recht, zu gleichen Bedingungen Handel zu treiben.
Diese einzigartige politische Situation war der Ausgangspunkt für die vielfältige internationale Community, die heute in Spitzbergen existiert – mit russischen und norwegischen Gemeinden, die neben einer wachsenden internationalen Präsenz nebeneinander existieren.
Spitzbergen im Krieg
Man kann nicht sagen, dass es in der Geschichte Spitzbergens immer friedlich zuging. Dank seiner strategischen Lage wurde das Archipel in beiden Weltkriegen zu einem hart umkämpften Stützpunkt. Im Ersten Weltkrieg galt Spitzbergen als potenzieller Zufluchtsort für deutsche U-Boote, was die Alliierten dazu veranlasste, hier eine Präsenz aufzubauen. Im Zweiten Weltkrieg waren die Auswirkungen noch unmittelbarer. Das Archipel war von strategischer Bedeutung für die Wettervorhersage für Schiffe und Flugzeuge, die in der Barentssee navigieren mussten.
Nachdem die Deutschen merkten, dass die Bevölkerung Spitzbergens 1941 evakuiert worden war, richteten sie dort eine Wetterstation ein. 1943 zerstörten deutsche Granaten Barentsburg und Longyearbyen. Später arbeiteten norwegische und sowjetische Streitkräfte daran, die Nazi-Präsenz vom Archipel zu vertreiben.
In der spannenden Szenerie des kalten Krieges nahm Spitzbergen eine einzigartige Stellung ein. Seine strategische Bedeutung wurde durch die polare Projektion der Raketenreichweiten und den Bedarf an Satellitenstationen noch verstärkt. Zwar kam es auf Spitzbergen nicht zu direkten militärischen Auseinandersetzungen, doch war das Archipel ein Gebiet mit bedeutenden Spionage- und Überwachungsaktivitäten, da sowohl die östlichen als auch die westlichen Mächte die Bewegungen der jeweils anderen in dieser Polarregion genau beobachteten.
Die Rolle Spitzbergens in der Wissenschaft
Der extreme Breitengrad Spitzbergens hat es zu einem unschätzbaren Standort für die wissenschaftliche Forschung gemacht, insbesondere in den Bereichen Meteorologie, Glaziologie und Polarbiologie. Auf dem Archipel befindet sich das Universitätszentrum in Spitzbergen (UNIS), die nördlichste Hochschuleinrichtung der Welt, die internationale Studenten und Forscher anzieht.
Da sich der Klimawandel in der Arktis schneller vollzieht als in vielen anderen Regionen, ist Spitzbergen zu einem natürlichen Labor geworden, um die Auswirkungen dieser Veränderungen zu untersuchen. Forschungsstationen sind über die Landfläche verteilt und Wissenschaftler aus der ganzen Welt kommen hierher, um die schmelzenden Gletscher, den schwankenden Permafrost und die sich verändernden Ökosysteme zu studieren.
Der weltweite Saatguttresor: Spitzbergens modernes Erbe
Einer der vielleicht faszinierendsten Aspekte von Spitzbergens Beitrag zum globalen Kulturerbe ist der weltweite Saatguttresor von Spitzbergen. Die 2008 eröffnete Anlage ist in den Permafrostboden eingegraben und soll als weltweite Reserve für die Pflanzenvielfalt dienen.
„Es ist ein so bedeutendes Monument, dass Menschen eigens nach Spitzbergen reisen, um es zu sehen, obwohl man es nicht betreten kann“, sagt Caroline Sund, Travel Designer für Hurtigruten Spitzbergen. „Der Tresor ist ein wichtiger Teil des Lebens hier. Er bedeutet den Menschen sehr viel, und auch das Gebäude selbst ist sehr hübsch. Man sieht es oben auf dem Hügel und in der dunklen Jahreszeit ist es so beleuchtet, dass es wie ein Nordlicht aussieht.“
Der weltweite Saatguttresor auf Spitzbergen wird oft als „Tresor des Jüngsten Gerichts“ bezeichnet. Nicht etwa weil er eine apokalyptische Funktion hätte, sondern weil er ein Schutz gegen den Verlust von Saatgut in Genbanken bietet. Dank seiner stabilen Bauweise und den natürlichen Frosttemperaturen stellt der Tresor sicher, dass die Vielfalt der weltweiten Nutzpflanzen für zukünftige Generationen erhalten bleibt. Es repräsentiert eine bedeutende Investition in die Zukunft der Menschheit und enthält mehr als eine Million einzigartiger Saatgutproben aus fast allen Ländern der Welt.
Die Anwesenheit des weltweiten Saatguttresors auf Spitzbergen ist ein starkes Symbol für das bleibende Erbe des Archipels. An diesem Ort tritt man in die Fußstapfen der Vergangenheit, während tief im arktischen Eis zugleich unsere Zukunft gesichert wird.
Ein internationales Kulturerbe
Von den Entdeckern und Bergleuten bis hin zu den Soldaten und Wissenschaftlern war die Bevölkerung Spitzbergens immer nur vorübergehend hier. Die extremen Bedingungen bedeuten, dass nur wenige die Insel als ständige Heimat bezeichnen können, obwohl einige Familien schon seit Generationen hier leben. Aber alle Gemeinden, die im Laufe der Jahrhunderte gekommen, gegangen und geblieben sind, haben ihre kulturellen Spuren hinterlassen.
Daher ist das kulturelle Erbe Spitzbergens so vielfältig wie seine Geschichte. Diese einzigartige Mischung aus norwegischen, russischen und internationalen Einflüssen zeigt sich im kosmopolitischen Geist, in der Architektur von Siedlungen wie Barentsburg und Longyearbyen und in den Feiertagen und Traditionen aus verschiedensten Gegenden der Welt.
Das harmonische Miteinander von Menschen aus aller Herren Länder ist heute eines der charakteristischen Merkmale von Longyearbyen und einer der Hauptgründe, warum die Bewohner gerne hier bleiben.
Caroline sagt, als sie 2021 nach Longyearbyen zog, habe sie zwar mit einer internationalen Community gerechnet, aber das tatsächliche Ausmaß dieses internationalen Gefühls habe sie dennoch überrascht. „War mir am hiesigen Leben am besten gefällt, ist die Community. Sie ist wirklich außergewöhnlich und macht Spaß. Hier leben Menschen aus der ganzen Welt – aus Australien, Thailand, den Philippinen, Amerika, ganz Europa, Spanien, Frankreich und England, einfach von überall."
Alberto Loranzo, Chefkoch des beliebten Feinschmeckerrestaurants Huset, stimmt dem voll und ganz zu: „Es ist sehr abgelegen, aber man findet viele gute Freunde.“
Die Sprachen Spitzbergens spiegeln diese internationale Gemeinde wider. Norwegisch und Russisch sind angesichts der historischen und gegenwärtigen Besiedlung vorherrschend, aber dank des Vertrags von Spitzbergen und der Bedeutung des Archipels für die Forschung hat sich auch Englisch eingebürgert. Diese Mischung von Sprachen an einem so abgelegenen Ort ist ein Beweis für Spitzbergens Rolle als Schmelztiegel der Nationen und Kulturen, selbst in den endlosen Weite der Arktis.