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Wissenswertes zu Pepperkakebyen

Für Besucher ist Pepperkakebyen die größte Lebkuchenstadt der Welt. Für die Menschen in Bergen wäre Weihnachten ohne Pepperkakebyen kein Weihnachten.

Von Emma Fast-Field

Sobald ich Pepperkakebyen betrete, umhüllt mich der Duft von Kiefernnadeln und allerlei Gewürzen. Und dann ist da dieses herrliche Licht.

Im Herzen von Pepperkakebyen befindet sich ein riesiger Raum, der wie von der Polarnacht blau beleuchtet scheint. Dieser ist vollgepackt mit Lebkuchenhäusern und funkelnden Lichterketten. Es gibt mit Süßigkeiten verzierte Häuser, genau auf Augenhöhe von Kleinkindern, und Kirchtürme, die bis zur Decke reichen. Aus Lebkuchen geformte Gebäude klammern sich an Berge im Miniaturformat und erstrecken sich bis in die umliegenden Korridore. Eine Modelleisenbahn schnaubt durch die Miniaturlandschaft, Weihnachtslieder erfüllen die Luft und in der Ecke ist ein hell strahlender Vollmond befestigt.

Es ist einfach spektakulär, was man sich hier Jahr für Jahr einfallen lässt, um die Besucher zu begeistern.

Eine Institution in Bergen

Die für Pepperkakebyen verantwortliche Person ist Steinar Kristoffersen. Als er Anfang der 1990er-Jahre als Marketingdirektor der Galleria tätig war, einem Einkaufszentrum im Zentrum von Bergen, wurde er damit beauftragt, Ideen für eine neue Weihnachtsaktivität im Stadtzentrum zu entwickeln: „Also haben wir 1991 damit begonnen, eine Lebkuchenstadt zu bauen“, erzählt er mir voller Stolz.

Pepperkakebyen ist und war schon immer eine Gemeinschaftsinitiative, die alle Bewohner Bergens mit einbezog. „Anfangs waren nur Kindergärten, Schulen, Familien, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen involviert“, berichtet Steinar. „Mittlerweile ist jeder dabei und bastelt eigene Lebkuchenkonstruktionen.“ Vor ein paar Jahren leistete man im Frauengefängnis von Bergen einen Beitrag und erschuf ein Gefängnis, von dem man nur träumen kann, und Hurtigruten beteiligte sich mit Lebkuchenschiffen für den Hafen.

Die Lebkuchenstadt besteht aus rund 2.000 handgefertigten Lebkuchengebäuden in unterschiedlichen Größen und Ausstattungen, von mit Süßigkeiten nur so strotzenden Hütten bis hin zu hoch aufragenden Nachbildungen lokaler Kirchen. Das ursprüngliche Ziel bestand darin, Bergen im Miniaturformat zu schaffen. Heutzutage schweifen die Mitwirkenden jedoch gerne ab und schaffen internationale Kreationen. So habe ich beispielsweise beeindruckende Nachbildungen von Hogwarts aus Harry Potter und dem Central Perk Café aus der TV-Serie „Friends“ entdeckt!

Es spielt eigentlich auch keine Rolle, welche Gebäude hier nachgebildet werden. Die Lebkuchenkonstruktionen selbst sind bei weitem nicht so wichtig wie die Atmosphäre, die Pepperkakebyen hervorruft, sowohl bei den Besuchern als auch bei den hunderten Beteiligten, die für die Erschaffung dieses Kunstwerks verantwortlich sind.

Neben den eigentlichen Lebkuchenbäckern gibt es Designer, Architekten und ehrenamtliche Helfer an den Kassen. Für viele Teenager aus Bergen ist ihre Tätigkeit hier ein Schritt ins Erwachsenenalter. Trotz wettbewerblicher Elemente gehen alle Einnahmen an Wohltätigkeitsorganisationen, die Kinder unterstützen, und wie Steinar es so schön formuliert, ist es das Wichtigste für alle Beteiligten, in der Vorweihnachtszeit für eine ganz besondere Veranstaltung zu sorgen.

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Ein Lebkuchen-Wunderland

In Pepperkakebyen spaziere ich an aus Lebkuchen nachgebildeten Schiffen in einem aus Lebkuchen gestalteten Hafen vorbei, bewundere eine Lebkuchen-Straßenbahn, die vor einem Leuchtturm aus Lebkuchen hält, und betrachte einen Lebkuchenzoo voller Lebkuchenelefanten, all das gefertigt mit den geschickten Händen der Bewohner von Bergen. Außerdem gibt es ein Marshmallow-Einhorn in einem Lavvu aus Lebkuchen und eine Dampflok, die an einem riesigen Lebkuchenschloss mit schneebedeckten Türmchen und leuchtenden Fenstern vorbeifährt, zu bewundern.

Doc, einer der sieben Zwerge, winkt mir fröhlich vom Balkon eines mehrstöckigen Lebkuchenhauses aus zu. In Reihen angeordnete Lebkuchenmenschen, einige von ihnen ausgestattet mit den sorgfältig geschnitzten Gesichtern derjenigen, die dieses Meisterwerk geschaffen haben, füllen ein Lebkuchenstadion und sehen ihren aus Lebkuchen geformten Fußballmannschaften beim Spielen auf einem mit Zucker bestäubten Lebkuchenfeld zu. In einer Ecke erspähe ich einen Tausendfüßler aus Lakritz, der an einem leuchtend roten Pilz mit weißen Zuckergussflecken knabbert.

Schokoladendrops, bunte Bonbons und Puderzucker bedecken fast jede Oberfläche, mit Ausnahme der Stellen, an denen sich all die verbauten Süßigkeiten für kleine Hände als unwiderstehlich erwiesen haben! Kinder unter 2 Jahren haben freien Eintritt, sowie alle, die einen Beitrag zu diesem Kunstwerk geleistet haben, sowie Kinder unter 12 Jahren an Wochentagen. Die Versuchung, ein Stückchen abzuzupfen und zu knabbern, ist groß, und das, obwohl ich mich gerade bei einem Brunch gestärkt habe.

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Ein neues Brauchtum

Nach meinem Besuch in Pepperkakebyen treffe ich mich in einem Essenszelt auf Bergens Weihnachtsmarkt, einer weiteren weihnachtlichen Institution Bergens, mit Steinar, um mit ihm über Pepperkakebyen zu sprechen. Draußen regnet es – schließlich befinden wir uns in Bergen – aber drinnen ist es gemütlich und warm durch all die Menschen, die Gløgg und heiße Schokolade mit Schlagsahnehäubchen schlürfen.

Mehr als 30 Jahre sind nach seiner grandiosen Eingebung vergangen und es ist nicht zu übersehen, dass Steinar sich immer noch voll und ganz dem Projekt verschrieben hat und dadurch so etwas wie eine lokale Berühmtheit geworden ist. Jeder scheint zu wissen, wer Steinar ist, und er hält während unseres Gesprächs häufig inne, um das Winken und Nicken von Passanten zu erwidern.

Und er erzählt mir, wie Pepperkakebyen gewachsen ist und warum es bei diesem Projekt um weit mehr als nur dessen Ausmaße geht: „Mittlerweile kommen jedes Jahr etwa 8.000 Besucher und ich höre oft, dass sie darauf gar nicht mehr verzichten können, um in Weihnachtstimmung zu kommen. Für viele Menschen ist Pepperkakebyen ein Sinnbild für Weihnachten geworden. Es ist sozusagen eine neue Tradition.“

Gunvor Rasmussen, Illustratorin und Inhaberin eines etwas eigenwilligen Ateliers im von der UNESCO-geschützten Bryggen in Bergen, stimmt dem voll und ganz zu. „Seit den 90ern ist Pepperkakebyen an Weihnachten bei mir nicht mehr wegzudenken. Ich kann mich gar nicht an eine Zeit erinnern, als es das noch nicht gab. Wir haben damit unsere eigene Weihnachtstradition geschaffen, inmitten all der anderen, bereits bestehenden Traditionen in Norwegen. Wenn man einmal damit beginnt, jedes Jahr mit Freunden Lebkuchen zu backen, wird daraus unweigerlich eine Institution. Es ging nie darum, etwas besonders Schönes zu kreieren, sondern einzig und allein um den Spaß des gemeinsamen Backens und Dekorierens.“

Das hört sich nach jeder Menge Spaß an! „Während unserer Metal-Zeit waren eine Freundin und ich voll auf dem Gothic-Trip und haben ein Hexenhaus aus Lebkuchen gebaut! „Dann haben wir den Turm eines Zauberers gebaut, und einmal sogar ein Schloss. Nun, es sah nicht wirklich wie ein Schloss aus, aber es war einen Versuch wert“, erinnert sie sich. „Wir haben auch einmal ein ganz normales Lebkuchenhaus gebaut und alles hineingepackt, was rosa und süß ist. Dieses Jahr [2022] habe ich mein Atelier nachgebildet. Ich habe im Innern eine Galerie eingerichtet, in der man sich Originalkunstwerke ansehen kann, und draußen ein Schild mit der Aufschrift „Geöffnet“ angebracht.“

Eine Welt aus Lebkuchen

All die Hingabe, Sorgfalt und die gute Stimmung, die in die Erschaffung von Pepperkakebyen fließen, sind hier überall spürbar. „Es ist unschwer zu erkennen, weshalb die Tradition von Lebkuchenstädten mittlerweile große Kreise zieht, insbesondere im Norden Norwegens und dort, wo Hurtigruten unterwegs ist“, sagt Steinar, aber auch auf der ganzen Welt.

In Norwegen gibt es Lebkuchenstädte in Stavanger, Hammerfest, Haugesund, Fredrikstad und Bodø, aber auch norwegische Gemeinden in den USA erhalten diese Tradition aufrecht. Im Rahmen einer in jedem Jahr stattfindenden Aktivität in Minnesota werden mittlerweile mehr als 250 Lebkuchenhäuser geschaffen.

Bergens Pepperkakebyen ist riesig und flächenmäßig die größte Darstellung, allerdings ist eine konkurrierende Lebkuchenstadt in New York City offizieller Inhaber des Rekords des „Weltweit größten Lebkuchendorfes“. Warum? Der entscheidende Unterschied besteht allerdings darin, dass die „Gingerbread Lane“ in New York City, die jedes Jahr von Jon Lovitch kreiert wird, vollständig essbar ist, während Bergen durch sein fröhliches Durcheinander aus essbaren Lebkuchen und Süßigkeiten und nicht für den Verzehr geeigneten Modelleisenbahnen und winzigen Bäumen mit echten Lichterketten und herrlich skurrilen Figuren begeistert.

„Ich hatte mir anfangs nicht vorgestellt, dass sich die Idee verbreitet. Aber ich bin froh, dass es so gekommen ist“, meint Steinar. Und auch ich verlasse Pepperkakebyen frohgemut und bester Laune. Es ist einfach unmöglich, sich nicht von den liebevoll handgefertigten Schöpfungen und diesem weihnachtlichen Gemeinschaftsgeist inspirieren zu lassen, denke ich, als ich diesen magischen Ort verlasse und mich wieder dem regnerischen Wetter in Bergen aussetze. Im Gepäck ein paar Lebkuchenhaus-Bausätze, deren Kauf ich einfach nicht widerstehen konnte. Mit einem warmen Gefühl im Herzen gelobe ich nun feierlich, zu Hause mit einer neuen Tradition zu beginnen.