Geschichte der Nordlichter: Mythen und Legenden
Die Mythen und Legenden, die sich um das Nordlicht ranken und die Kunst, Geschichte und Religion beeinflussen, geben einen faszinierenden Einblick in die verschiedenen Kulturen der Kontinente.
Heute kennen wir die wissenschaftlichen Hintergründe des Nordlichts. Aber stellen Sie sich vor, Sie sehen grüne, rote und violette Lichter über den Himmel flimmern und wissen nicht, was sie sind. Kein Wunder, dass die Nordichter im Laufe der Jahrhunderte Folklore und Legenden beeinflusst haben. Lesen Sie weiter, um mehr über die Geschichten zu erfahren, die von den Nordlichtern auf der ganzen Welt inspiriert wurden.
Nordische Mythen und Legenden
Die Nordlichter dienten als Inspirationsquelle für einige der dramatischsten Geschichten der nordischen Mythologie. Die Wikinger feierten die Lichter, weil sie glaubten, sie seien irdische Manifestationen ihrer Götter. Andere nordische Völker fürchteten die Erscheinungen am Himmel. Sie erzählten sich wilde Geschichten über die Gefahren, die von den Lichtern ausgingen, und entwickelten abergläubische Ideen, um sich vor ihnen zu schützen.
Welche dieser unglaublichen Geschichten auch immer Ihre Fantasie am meisten beflügelt, eines ist sicher: Den Nordlichtern wurde von den alten nordischen Völkern große Macht und Bedeutung zugesprochen. Ob als Vorboten von Glück oder Unheil, die Lichter haben seit jeher eine magische Ausstrahlung und wurden schon immer verehrt, und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Helden, die den Himmel erhellen
Odin war der mächtigste Gott und Herrscher von Asgard, und als solcher wurde er von allen Wikingern verehrt. Sie glaubten, dass Odin bei jeder Schlacht auf der Erde die Krieger auswählte, die dann sterben und zu ihm nach Walhalla kommen würden, wo er lebte.
Die Walküren – weibliche Krieger zu Pferd, die Rüstungen trugen und mit Speeren und Schilden ausgestattet waren –, hatten die Aufgabe, Odins ausgewählte Krieger nach Walhalla zu geleiten. Die Wikinger glaubten, dass die Nordlichter, die den Himmel erhellten, Spiegelungen der Walkürenrüstungen waren, die auftraten, während diese die Krieger zu Odin führten.
Anderen nordischen Legenden zufolge war das Polarlicht der Atem von tapferen Soldaten, die im Kampf gefallen waren. In wieder anderen Geschichten wurde das Polarlicht für die Asenbrücke (Bifröst) gehalten, einen leuchtenden, pulsierenden Bogen, über den gefallene Krieger zu ihrer letzten Ruhestätte in Walhalla gelangten.
Gefährliche Lichter?
Nach Auffassung der Samen, der finno-ugrischen Ureinwohner Nordskandinaviens, erzählten die Lichter keine Geschichten von Heldentum und Tapferkeit; viel eher hatte man sie zu fürchten und zu respektieren. Das Erscheinen der Nordlichter galt bei ihnen als schlechtes Omen.
Da man sie für die Seelen der Toten hielt, waren die Samen davon überzeugt, dass man besser nicht über die Nordlichter sprechen sollte. Es galt bei ihnen auch als auch gefährlich, die Lichter zu reizen, indem man ihnen zuwinkte, pfiff oder sang, da man überzeugt war, dass man so die Lichter auf die eigene Anwesenheit aufmerksam machen würde.
Man glaubte, wenn man ihre Aufmerksamkeit erregte, könnten die Lichter nach unten greifen und einen in den Himmel entführen oder einem sogar den Kopf abschlagen! Bis heute bleiben viele Samen aus Sicherheitsgründen lieber drinnen, wenn die Nordlichter am Himmel erscheinen.
Mythische Feuerfüchse
In Finnland sind die Nordlichter als „Revontulet“ bekannt, was wörtlich mit „Feuerfuchs“ übersetzt werden kann. Der Name stammt von dem schönen Mythos, dass Polarfüchse für die Entstehung des Polarlichts verantwortlich sind. Diese rannten, wie man glaubte, so schnell über den Himmel, dass ihre großen, pelzigen Schwänze, wenn sie die Berge streiften, sprühende Funken erzeugten, die den Himmel erhellten.
Eine ähnliche Version dieser Geschichte besagt, dass die Feuerfüchse beim Laufen mit ihren Schwänzen aufwirbelnde Schneeflocken in den Himmel schleuderten, die das Mondlicht reflektierten und so die Nordlichter erzeugten. Dies war auch eine schlüssige Erklärung dafür, warum die Lichter nur im Winter zu sehen waren, da es ja in den Sommermonaten keinen Schnee gab.
Nordamerikanische Mythen und Legenden
Viele der Geschichten, die sich in den nordamerikanischen Gemeinschaften um das Nordlicht ranken, gehen auf den Glauben zurück, dass es sich um die Seelen verstorbener Vorfahren handelt.
Manche glaubten sogar, dass die Lichter die Geister der Tiere sein könnten, die sie bei der Jagd erlegt hatten. Aber nicht alle nordamerikanischen Legenden stellten die Nordlichter als etwas so Harmloses dar.
Der Kreislauf des Lebens
In einigen Geschichten der amerikanischen Ureinwohner wurden die Nordlichter als Fackeln der Geister dargestellt, deren Aufgabe es war, die Seelen der kürzlich Verstorbenen über den Abgrund in das Land der Helligkeit und des Überflusses zu führen. Um mit den Menschen auf der Erde zu kommunizieren, so glaubte man, gaben die Nordlichter einen pfeifenden Ton von sich, auf den die Menschen mit einem Flüstern antworten sollten.
Einige Inuit-Stämme glaubten, sie könnten die Aurora herbeirufen, um mit ihren verstorbenen Verwandten zu kommunizieren. Die Cree-Indianer glaubten fest an den „Kreislauf des Lebens“. Auch sie waren davon überzeugt, dass die Lichter ein Weg waren, mit ihren Vorfahren zu kommunizieren, und wenn Hunde beim Erscheinen der Lichter bellten, dann deshalb, weil sie ihre verlorenen Gefährten wiedererkannten.
In Kanada und Nord-Michigan glaubten die Algonquin-Stämme, dass der Schöpfer der Erde, Nanabozho, in den hohen Norden zog und dort ein großes Feuer entfachte, um seinem Volk zu zeigen, dass er, obwohl er so weit weg war, noch immer an sie dachte. Die Nordlichter wurden als eine Spiegelung dieses Feuers betrachtet.
Die Menominee-Indianer in Wisconsin glaubten, dass das, was sie sahen, sanfte Riesen waren, die nachts auf Fischfang gingen, und dass die Lichter von ihren Fackeln erzeugt wurden, die sie entzündeten, während sie fischten.
Nach Auffassung der Inuit im nördlichen Grönland waren die Lichter die Geister der Toten, die mit einem Walrossschädel himmlische Spiele spielten, während andere Inuit-Gemeinschaften wiederum glaubten, es seien die Walrosse selbst, die mit einem menschlichen Schädel spielten.
Ein Zeichen des Todes
Nicht alle indianischen Gemeinschaften in Nordamerika fühlten sich bei Erscheinen der Nordlichter sehr wohl, und viele hielten sie sogar für ein böses Omen.
So glaubten auch die Indianer der Great Plains, dass die Lichter Spiegelungen großer Feuer waren, doch diese wurden keinesfalls von einem liebevollen Schöpfer entzündet. Vielmehr waren es, wie man glaubte, die Reflexionen gigantischer Flammen, die von weiter nördlich angesiedelten Stämmen entzündet wurden, um ihre Feinde in riesigen Kochtöpfen zu kochen.
Die Fox-Indianer in Wisconsin glaubten, dass die Nordlichter die ruhelosen Geister ihrer erschlagenen Feinde seien, die sich rächen wollten, und dass sie ein Vorzeichen für Pestilenz und Krieg seien. Auch Inuit-Gemeinschaften in Alaska fürchteten die Lichter und trugen stets Messer bei sich, um sich gegen die bösen Geister der Aurora schützen zu können
Mythen und Legenden in Europa
Obwohl die Nordlichter am häufigsten und intensivsten im Polarlicht-Oval über dem nördlichen Polarkreis zu sehen sind, tauchen sie gelegentlich auch weiter südlich auf, wenn die Sonnenaktivität besonders hoch ist.
Im Laufe der Geschichte gab es viele Nordlichtsichtungen in Europa, die zur Bildung einer unglaublichen Vielfalt von Mythen und Legenden führten.
Ein Omen des Blutvergießens
Wenn die Nordlichter weiter südlich in Europa auftauchen, nehmen sie oft einen tiefen, rötlichen Farbton an. Dies würde erklären, warum in Kontinentaleuropa viele Menschen die tanzenden, purpurroten Streifen des Polarlichts als böses Omen, als Vorzeichen für Krieg und Verderben betrachteten.
Im späten 18. Jahrhundert beispielsweise versetzte der Ausbruch der Französischen Revolution das Land in Aufruhr. In den Wochen vor dem Sturz der Monarchie wurde am Himmel über England und Schottland ein leuchtend rotes Polarlicht gesehen, und Einheimische berichteten, dass sie am Himmel riesige Heerscharen kämpfen hörten. Die verängstigten Menschen, die das Himmelsspektakel miterlebten, glaubten, dass dies eine Vorahnung von bevorstehendem Krieg und Tod sei.
Obwohl die Schotten den Nordlichtern den fröhlichen Spitznamen „Merry Dancers“ gaben, stellten die „Dancers“ in ihrer Vorstellungswelt gefallene Engel oder Himmelskrieger dar, die eine epische Schlacht kämpften. Auf den Hebriden findet man häufig Blutsteine, wunderschöne grüne Heliotropen, die mit roten Flecken übersät sind. Die Schotten glaubten, diese roten Flecken seien Blutstropfen, die vom Himmel auf die Steine fielen, wenn die Merry Dancers ihre Schlachten schlugen.
Positive Vorahnungen
Aber nicht jeder betrachtete die Aurora als Unglücksboten. Die Esten zum Beispiel glaubten, dass die Nordlichter wunderbare Schlitten waren, die die Gäste zu einer spektakulären Hochzeitsfeier am Himmel brachten.
Passend dazu ist die Aurora in der griechisch-römischen Mythologie die Göttin der Morgendämmerung und die Schwester von Sonne und Mond. Die alten Griechen und Römer glaubten, dass Aurora jeden Tag in ihrem Wagen über den Himmel raste, um ihren Brüdern und Schwestern den Anbruch des neuen Tages zu verkünden. Wenn man die Nordlichter am Himmel beobachtet, kann man sich leicht vorstellen, wie diese Geschichte entstanden ist.
Wilde Ideen
In vielen Mythen wurden die Lichter mit Geschichten aus der Tierwelt und der Natur erklärt. Einige meinten zum Beispiel, dass die Aurora erschien, wenn Wale unter Wasser ihre Spiele spielten. Die Dänen hingegen glaubten, dass die Lichter von Schwänen verursacht wurden, die darum wetteiferten, wer auf seinem Flug am weitesten in Richtung Norden gelangen konnte. Der Legende nach blieben einige Schwäne im Eis stecken und begannen beim Versuch, sich zu befreien, wild mit den Flügeln um sich zu schlagen, wodurch die Lichtstürme am Himmel erzeugt wurden.
Die schwedischen Fischer freuten sich auf die Polarlichter, denn sie glaubten, die Lichter seien die Spiegelungen von riesigen Heringsschwärmen, die in der näheren Umgebung vorbeischwammen. Für sie bedeutete jede Nordlicht-Sichtung Glück und die Hoffnung auf einen großen Fang.