Die Wächter des Kelp: Wiederherstellung eines Unterwasserwaldes

An Norwegens Nordküste zerstören sich stark vermehrende Seeigel den Seetang – und damit ganze Ökosysteme. Doch ein Team von freiwilligen Tauchern verschafft der Unterwasserpflanze die Chance, wieder Fuß zu fassen und sich erneut im Ozean zu entfalten.

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Das Kelp mit seinen breiten, braunen Blättern, die bis an die Meeresoberfläche reichen, ist ein normaler Anblick in flachen Ozeanen auf der ganzen Welt. Diese weit verbreitete Pflanze bildet riesige Unterwasserwälder, die zu den dynamischsten und ökologisch produktivsten Meereslebensräumen der Welt gehören. Kelpwälder wachsen durch die Wassersäule empor und bieten jungen Dorschen und anderen Fischen sowie Krabben und einheimischen Seeigeln lebenswichtigen Schutz und Nahrung.

Wenn der Seetang fehlt, sind die Auswirkungen daher gravierend. Als Taucher aus der nördlichen Stadt Tromsø erkannten, wie sehr sich das lokale Ökosystem verschlechtert hatte, gründeten sie den Verein Tarevoktere (Wächter des Kelp), um diese wichtige Art zu schützen und zu erhalten.

Wir sprachen mit der Co-Leiterin von Tarevoktere, Ida Søhol, über ihre Arbeit.

Die durch Seeigel verursachte Zerstörung

„Wir haben ein großes Problem mit von Seeigeln kahlgefressenen Flächen am Meeresgrund“, bedauert Ida. „Wissenschaftler glauben, dass die Überfischung von Raubfischen in den 1970er und 1980er-Jahren zu einem enormen Anstieg der Seeigelzahlen geführt hat.“

„Das Verschwinden von Raubtieren wie dem Seewolf führte dazu, dass die Seeigel ihre Futterplätze so stark ausdehnten, dass sie den Seetang komplett abweideten“, fährt sie fort. „Heute haben wir fast 15.000 Kilometer Küstenlinie, die von diesem Seeigel-Ödlland dominiert werden, weil die Seeigel dort keine natürlichen Feinde haben.“

Ohne den Schutz und den Lebensraum, den das Kelp normalerweise bietet, ist es sehr schwierig, die Arten, die früher dort lebten, wieder anzusiedeln. Ida erklärt, dass genügend Seetang vorhanden sein muss, damit die wichtigen Fressfeinde der Seeigel wie Krebse und Seewölfe zurückkehren und die Seeigel-Population unter Kontrolle halten können.

Photo: David Gonzalez
Heute haben wir fast 15.000 Kilometer Küstenlinie, die von diesem Seeigel-Ödlland dominiert werden, weil die Seeigel dort keine natürlichen Feinde haben.

Ida Søhol

Co-Leiterin von Tarevoktere

Die Auswirkungen der Entfernung von Seetang

„Ohne Kelp gibt es kein richtiges Ökosystem“, erklärt Ida. „Wenn wir hier tauchen, sehen wir, dass das Ökosystem nicht im Gleichgewicht ist. Es gibt einfach keine Artenvielfalt.“

„Kelpwälder sind sehr produktive Ökosysteme, die einen Hotspot der marinen Artenvielfalt darstellen. Sie dienen als Kinderstube und Nahrungsgrundlage für viele Organismen. Es ist also ein sehr wichtiger Lebensraum für eine beträchtliche Anzahl von Meereslebewesen“, fährt sie fort.

Doch das ist nicht der einzige Vorteil von Kelp. Kelp kann auch Photosynthese betreiben, d. h. es nimmt Energie aus dem Sonnenlicht auf, um zu wachsen, und fungiert als Kohlenstoffspeicher. Daher sind Kelpwälder für die Bekämpfung der Klimakrise sehr wichtig. Darüber hinaus filtern sie das Meerwasser und schützen die Küste vor Erosion, indem sie die Bewegungen des Meeres in Küstennähe verringern.

Photo: Johan Bjerg

Kampf gegen die Seeigel

„Da natürliche Fressfeinde fehlen, übernehmen wir diese Funktion, indem wir die Seeigel entweder entfernen oder vernichten, damit die Kelpwälder wieder wachsen können“, erläutert Ida.

„Wir haben verschiedene Methoden ausprobiert, z. B. haben wir sie einfach mit Hämmern zerschlagen. Das hört sich sehr dramatisch an, aber ich glaube, es ist tatsächlich eine der besten Methoden. So können die Seeigel als Nahrung für viele andere Arten dienen.“

Nachdem das Team ein Jahr lang auf diese Weise gearbeitet hatte, stellte es fest, dass mehr Arten zurückkehrten. Das Team vermutet, dass die Nährstoffe, die durch das Zerschlagen der Seeigel freigesetzt werden, die Wiederbesiedlung des wiederhergestellten Kelpwalds durch diese Arten beschleunigen.

An einigen der renaturierten Standorte ist ein deutlicher Wandel von einem leblosen Meer hin zu einem ausgewogenen, gesunden Ökosystem mit verschiedenen Fischarten, Krebsen und Seesternen zu beobachten.

„Es ist wundervoll mitanzusehen, wie ein kleiner Eingriff hier eine so positive Auswirkung auf das lokale Ökosystem hat“, erläutert Ida.

„Wir brauchen weniger als ein Jahr, um einen Kelpwald wiederherzustellen. Es ist beeindruckend, wie schnell das geht. Diese Ergebnisse stimmen mich zuversichtlich, dass wir das Problem schnell lösen können.“

Unterstützung durch die Hurtigruten Foundation

Mit einem Zuschuss der Hurtigruten Foundation in Höhe von 50.000 NOK (ca. 4.400 €) kann das Team seine wertvolle Arbeit zur Wiederherstellung der Meeresfauna und -flora fortsetzen und seine Tauchausrüstung warten.

„Unser Hauptziel besteht darin, unsere Arbeit so weit wie möglich auszudehnen und alle interessierten Tauchclubs einzuladen, sich uns anzuschließen“, sagt Ida. „Bisher sind wir etwa 150 Taucher und wir arbeiten daran, die Tauchclubs in unserer Nähe mit einzubeziehen. Anschließend wollen wir unsere Arbeit auf andere Teile Nordnorwegens und so viele Tauchclubs wie möglich ausweiten. Mit einem solchen Zuschuss können wir das auf jeden Fall tun.“

Es ist dem Team auch wichtig, die Menschen vor Ort, Studenten und alle, die mehr über Norwegens Meere und Küsten erfahren möchten, zu erreichen. Sie sprechen über das Thema und ihre Arbeit und laden die Wissenschaftler, mit denen sie zusammengearbeitet haben, ein, die Bedeutung des Themas zu erläutern.

Ida kommt zu dem Schluss: „Dieses Problem betrifft alle, nicht nur die Menschen, die es tatsächlich sehen. Wir alle brauchen ein intaktes Meer und eine intakte Küste.“

Hurtigruten Foundation

Die Hurtigruten Foundation ist ein gemeinsames Projekt von Hurtigruten, unseren Gästen, Partnern und privaten Geldgebern. Gemeinsam setzen wir uns dafür ein, den Klimawandel zu bekämpfen, lokale Gemeinden zu stärken und den nicht nachhaltigen Massentourismus zu stoppen.

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