Entwicklungspioniere in der Inselwelt der Lofoten

Die Bewohner der Lofoten einigen sich gemeinsam auf eine für alle gültige Methode zur Quantifizierung ihres Naturkapitals. Die Natur wird so bei neuen Erschließungen angemessen berücksichtigt und der Welt wird gezeigt, wie nachhaltiger Wandel möglich ist.

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Der Anblick auf die Inselgruppe der Lofoten ist unvergesslich Dramatische Berggipfel ragen steil aus dem Wasser auf. Dazwischen verlaufen fjordähnliche Kanäle, die die nur spärlich bewohnten Inseln voneinander trennen. Hinter der zerklüfteten, felsigen Küstenlinie verbirgt sich ein reiches Ökosystem mit dem größten Tiefwasserkorallenriff der Welt, ausgedehnten Kelpwäldern und wichtigen Fischbrutplätzen.

Diese natürlichen Vorzüge haben über Jahrtausende die Entwicklung einer unverwechselbaren lokalen Kultur gefördert, die eng mit der florierenden Fischereiindustrie verwoben ist. Transportwege sind für das moderne Leben dieser abgelegenen Küstenregionen von entscheidender Bedeutung, und Hurtigruten ermöglicht diese lebenswichtige Versorgung seit über 130 Jahren. Mittlerweile finden auch immer mehr Touristen den Weg hierher.

Aktuell besteht die Herausforderung darin, einerseits diesen einzigartigen Ort zu schützen und ihn für eine nachhaltige Zukunft zu rüsten, andererseits aber auch den Erschließungsdruck durch den Tourismus, durch örtliche Unternehmen und die Anwohner zu bewältigen. Dazu hat der Regionalrat Lofotrådet in Zusammenarbeit mit dem regionalen Energieunternehmen Lofotkraft und dem regionalen Reiseunternehmen „Destination Lofoten“ eine innovative und ehrgeizige Initiative ins Leben gerufen, die bis 2030 einen grünen Wandel vollziehen will.

Wir sprachen mit Laura Johanne Olsen von Lofotrådet, Programmmanagerin für The Green Islands 2030, und Ingrid Slungaard Myklebust, leitende Klimaberaterin.

Unterschiedliche Teile zusammenfügen

„Wir müssen mit den Unternehmen und Bezirksverwaltungen zusammenarbeiten, die über unsere Transportwege entscheiden“, so Laura. „Wir müssen mit den Luftfahrtunternehmen zusammenarbeiten und versuchen, ihre klimaneutralen Luftfahrtprojekte zu beschleunigen. Im Tourismus müssen wir mit den Unternehmen, Behörden und Touristen vor Ort, in der Region und auf internationaler Ebene zusammenarbeiten. Ähnlich verhält es sich mit allen Sektoren unserer Wirtschaft.“

Ingrid fährt fort: „Hurtigruten ist ein gutes Beispiel. Wir haben den Ort, den die Menschen besuchen wollen. Darum kümmern wir uns um die Natur und ihre Anwohner, im Gleichgewicht mit denen, die uns besuchen, um ein nachhaltiges Reiseziel zu entwickeln.“

Gemeinsam mit den Besuchern wird das Programm „Green Islands“ lokale Unternehmen unterstützen, beispielsweise diejenigen, die nachhaltig Lebensmittel von ausgezeichneter Qualität erzeugen oder an der Umstellung auf nicht-fossile Brennstoffe im Transportwesen arbeiten.

„Wir brauchen Hurtigruten auch, um Reiseveranstalter auszuwählen, die ein nachhaltiges und klimafreundliches Produkt anbieten“, fügt Ingrid hinzu. „Und es ist wichtig, dass die Gäste von Hurtigruten am Aufbau dieses lokalen Mehrwerts teilnehmen, die Traditionen honorieren, mit den Einheimischen zusammentreffen, unsere Gerichte kosten, die Lofoten kennenlernen und sie respektieren.

„Das schaffen weder wir alleine, noch die Touristen oder Hurtigruten. Wir müssen also alle unseren Teil zu diesem Puzzle beitragen.“

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Unterstützung durch die Quantifizierung des Naturkapitals

Damit sich alle Teile des Puzzles zu einem nachhaltigen Ganzen zusammenfügen, will das Programm „Green Islands“ sicherstellen, dass sich Gebietserschließungen und Unternehmen an den Grenzen dessen orientieren, was Natur und Gesellschaft tolerieren können.

Laura erklärt: „Wir wollen genau wissen, was das für uns bedeutet. „Welche Werte und Leistungen haben wir in unserer Natur und Gesellschaft? Was sind die Grenzen? Wir wollen das dokumentieren, damit es nicht nur Worte und Phrasen sind.“

Wir müssen also versuchen zu verstehen, welche verschiedenen Leistungen die Ökosysteme erbringen und welchen Wert sie haben.

Ingrid: „Es ist schwer zu beurteilen. Welchen Wert hat sauberes Wasser? Welchen Wert hat es, die Natur tatsächlich erleben zu können?“

Im Rahmen des Programms soll daher eine Methodik entwickelt werden, mit der solche immateriellen Werte tatsächlich als Geldwerte verglichen werden können. Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Dingen kann dann ein Wert zugemessen werden. So kann jeder die Kosten leichter nachvollziehen, die durch die Störung oder Nutzung eines Gebiets – im Wasser, an der Küste oder auf dem Land – verursacht werden.

„Anhand einer vereinbarten Methodik kann man entscheiden, ob ein Stück Küste neben dem reinen Wert als Bauland einen Nutzen hat – vielleicht für die Fische, die dort leben, oder für die Kohlenstoffspeicherung. Je mehr man weiß, desto besser kann man einen Wert bemessen. Welcher Wert das genau ist, ist die Nuss, die wir knacken müssen!“

Den meisten Menschen wird unwohl bei dem Gedanken, der Natur einen wirtschaftlichen Wert beizumessen, denn es fühlt sich wie eine Kapitulation an, die wir eigentlich vermeiden wollten.

Ingrid Slungaard Myklebust

Leitende Klimaberaterin

Schwierigkeiten bei der wirtschaftlichen Bewertung der Natur

„Den meisten Menschen wird unwohl bei dem Gedanken, der Natur einen wirtschaftlichen Wert beizumessen, denn es fühlt sich wie eine Kapitulation an, die wir eigentlich vermeiden wollten“, so Ingrid.

„Doch die Krise, in der sich die Natur befindet, bestätigt nur, dass wir ihren Wert nur mit einem Preisschild verstehen. Wenn jeder eine eigene Wertvorstellung hat und diese nicht vergleichbar sind, gewinnt am Ende derjenige die Diskussion, der seine Argumente am besten vorträgt, am lautesten spricht oder am reichsten ist. Deshalb verschenken wir die Natur momentan zum Wert von Null.

Ingrid fährt fort: „Aber welchen Wert haben sauberes Wasser, ein stabiler Salzgehalt und beständige Temperaturen?“ „Fische können ohne Plankton nicht überleben – aber ohne Plankton gibt es auch keinen Kabeljau mehr. Was also braucht das Plankton zum Überleben? Um den Wert von sauberem Wasser zu verstehen, muss man das gesamte Ökosystem und die von ihm erbrachten Leistungen verstehen.“

Mit dem Programm „Green Islands“ sollen Werkzeuge entwickelt werden, um solche Werte zu ermitteln und in die Überlegungen einzubeziehen. Es muss ein gemeingültiger, diskutierbarer Wert gefunden werden, der von Politikern und Laien genutzt werden kann. Aus diesem Grund hat die UNO beschlossen, mit solchen finanziellen Berechnungen zu beginnen, und das Programm „Green Islands“ ist auf den UNO-Rahmen abgestimmt.

Nun muss das Projekt die Methoden für Länder und Regionen wie Norwegen und die Lofoten anpassen und weiterentwickeln.

„Es ist noch neu, und wir befinden uns in einer Pilotphase, in der wir versuchen, auf lokaler und regionaler Ebene Erfahrungen zu sammeln, die hoffentlich einen nützlichen Beitrag zur laufenden Arbeit an der Entwicklung nationaler Leitlinien für Norwegen leisten“, so Laura.

Ingrid fügt hinzu: „Hoffentlich gelangen wir in eine Situation, in der keine weiteren Gebiete erschlossen oder als Bauland verkauft werden, wenn ihr Wert aus Ökosystemleistungen zu hoch ist und ein Minus in unserer Buchführung wäre.“

Hoffentlich gelangen wir in eine Situation, in der Gebiete nicht mehr erschlossen oder als Bauland verkauft werden, wenn ihr Wert aus Ökosystemleistungen zu hoch ist und ein Minus in unserer Buchführung wäre.

Ingrid Slungaard Myklebust

Leitende Klimaberaterin

Finanzielle Unterstützung durch die Hurtigruten Foundation

Zusammen mit der öffentlichen Finanzierung durch den Bezirksrat Nordland werden die privaten Mittel der Hurtigruten Foundation in die Planung der Ökosystembilanzierung fließen: Wie wird der Zustand der verschiedenen Aspekte der Ökosysteme und der von ihnen erbrachten Leistungen ermittelt und wie wird der Wert dieser Leistungen bestimmt?

Ingrid dazu: „Es ist äußerst wichtig, dass wir in diese Diskussionen die Anwohner und lokale Interessengruppen einbeziehen, damit wir von den Fähigkeiten und dem Wissen der Menschen vor Ort lernen und erst dann den Wert bemessen, wenn wir ihre Perspektive und Erkenntnisse gehört haben. Sie müssen darüber diskutieren, und dann müssen wir schließlich gemeinsam einen Wert festlegen – was wirklich schwierig sein wird.“

Laura fährt fort: „Wir müssen alle mit einbeziehen – wir können nicht jeder für sich entscheiden, wie etwas gemacht wird, oder es alleine tun. Wir müssen Meinungsverschiedenheiten also bereits in einem frühen Stadium klären. Deshalb machen die Lofoten es auf diese Weise. Obwohl wir wirklich ungeduldig sind und sofort loslegen wollen, machen wir es ‚auf Lofoten-Art‘: Wir laden frühzeitig ein breites Spektrum von Interessenvertretern ein, um gemeinsam Wissen und gegenseitigen Respekt für die Werte der Ökosysteme aufzubauen – und wir machen es von Anfang an richtig.“

„Die Unterstützung von Hurtigruten in Höhe von 75.000 NOK (ca. 6.500 €) ist nur ein Teil dessen, was wir brauchen, aber sie bedeutet uns sehr viel“, so Ingrid. „Es ist eine Botschaft, dass ein lokaler Reiseveranstalter, ein Unternehmen, das die Gewässer entlang unserer Küste nutzt, uns beim langfristigen Ausbau der Nachhaltigkeit unterstützt.“

Laura fügt hinzu: „Es ist auch deshalb wichtig, weil es sich um eine Finanzierung durch einen privaten Partner in Zusammenarbeit mit öffentlichen Mitteln handelt – und das ist unser bevorzugtes Kooperationsinstrument. Das ist die ‚Lofoten-Art‘, und wir wollen damit die Führung übernehmen, um mitzuentscheiden, wie der grüne Wandel in ländlichen Kommunen aussehen soll. So erproben wir ein Instrument, mit dem Norwegen seine nationalen und internationalen Ziele für den grünen Wandel erreichen kann.“

Ingrid zieht folgendes Fazit: „Wenn wir es hier – mit einer begrenzten Anzahl von Menschen und in einem komplexen Ökosystem – schaffen, dann haben wir eine Menge nützlicher Informationen und Werkzeuge nachgewiesen, die an vielen anderen Orten in Norwegen und der ganzen Welt von Nutzen sein werden.“

Hurtigruten Foundation

Die Hurtigruten Foundation ist ein gemeinsames Projekt von Hurtigruten, unseren Gästen, Partnern und privaten Geldgebern. Gemeinsam setzen wir uns dafür ein, den Klimawandel zu bekämpfen, lokale Gemeinden zu stärken und den nicht nachhaltigen Massentourismus zu stoppen.

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